Ausstellungsansicht, Bilder: v.l.n.r. SOLO II,
RAFT, RESERVE, SAMBESI, MARLOW, MOMONUMENT, 2012, artepari, courtesy artepari, 2012
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Ausstellungsansicht, Bilder: v.l.n.r. RESERVE,
SAMBESI, MARLOW, MOMONUMENT, BOOM, CODE SH, Foto: artepari, courtesy artepari, 2012
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"MARLOW", 2012, Öl auf Leinwand, 160 x 130 cm
Foto: courtesy artepari, 2012
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“WET”, 2012, Öl auf Leinwand, 80 x 60 cm Foto: courtesy artepari, 2012
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"JUNE", 2012, Öl auf Leinwand, 120 x 200 cm Foto: courtesy artepari, 2012
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"ASARI", 2011, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm Foto: courtesy artepari, 2012
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"BOOM", 2012, Öl auf Leinwand, 80 x 60 cm Bild: courtesy artepari, 2012
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"RAFT", 2012, Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm
Foto: courtesy artepari, 2012
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"CODE SH", 2012, Öl auf Leinwand, 160 x 130 cm Foto: courtesy artepari
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Ausstellungsansicht, Bilder: v.l.n.r. JUNE,
MARLOW, MOMONUMENT, MONDAY, WET, Foto: artepari, courtesy artepari, 2012 |
Bruno Wildbach
Bruno Wildbach zählt zu den großen Einzelgängern in der österreichischen Kunst, zu jener raren Sorte, die ihr Werk unabhängig von Moden und Marktkalkül abseits der Zentren entwickelt haben. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat er seine Malerei konsequent zwischen den oftmals als unüberbrückbar geltenden Polen Abstraktion und Figuration, Faktizität und Illusion verankert hat. Dabei verschmilzt er die scheinbar so konträren Tendenzen nicht zu einer expressiven Figürlichkeit am Übergang zur Abstraktion oder zu gegenstandslosen Kürzeln mit figürlichem Assoziationspotenzial. In seinem bildnerischen Schaffen treffen beide Ausrichtungen in Reinform ungebrochen aufeinander, wie zwei unterschiedliche Realitäten, die einander nicht auslöschen, sondern sich gegenseitig durchdringen, sich gewissermaßen bedingen. Abstrakte Flächen stoßen auf Fragmente des Landschaftlichen, gestische Kürzel konkurrieren mit fein ausgeführten Zeichnungen, informelle Spuren überformen figürliche Darstellungen. Wildbach überwindet die ideologischen Trennungen und ersetzt die großen Deutungssysteme durch eine Vielzahl an privaten Chiffren, subjektiven Erzählungen und „individuellen Mythologien“. Dabei thematisiert er die Möglichkeiten zeitgenössischer Malerei, lotet die Potenzialität ihrer Elemente aus und verhandelt mit künstlerischen Mitteln die Frage, was Malerei im 21. Jahrhundert sein kann.
J.A.M. - Joseph And Mo
In seiner ersten Einzelausstellung in Wien zeigt Bruno Wildbach neue Malereien, die von einer metaphorischen Reise in eine terra incognita künden, deren dunkle Flüsse, undurchdringliche Wälder und irrlichterne Farben die Seelenlandschaften romantischer Künstler reflektieren.
„J.A.M. – Joseph and Mo“ lautet der Ausstellungstitel. Joseph ist Joseph Conrad und Mo ist der biografische Eckpfeiler in Wildbachs Kunst. Jam ist der improvisierte Gleichklang zwischen dem „Herz der Finsternis“ und dem Herz des Lichts. Jam ist das Exempel ohne Probe, die Synthese des Gegensätzlichen. Jam ist aber auch das Eingeklemmtsein, das Festsitzen, der Zustand der Ausweglosigkeit. Jam ist das sensibilisierte Bewusstsein für die Zwischentöne, Überlagerungen und Schnittstellen. Jam ist die Möglichkeitsform eines Traums, der den Verlust, der zum „MOMONUMENT“ führt, überbrückt und die Leere mit Farben füllt.
Die neue Werkserie von Bruno Wildbach kreist um die Reise in das Herz der Finsternis, in die Tiefen des afrikanischen Dschungels wie zu den Abgründen menschlicher Existenz und auf einer metaphorischen Ebene vielleicht in die Dunkelheit einer paralysierenden Leere. Wildbach greift Elemente aus der hellsichtigen Erzählung von Joseph Conrad auf, doch verknüpft er die einzelnen Gemälde stärker durch eine gemeinsame Grundhaltung, eine Stimmung, die er in dem Buch wiederfindet, als durch illustrative Szenen. Es sind Momente der Melancholie, des Auf-Sich-Selbst-Zurückgeworfenseins, der Einsamkeit, die er den Bildern aufprägt oder aus denen sie hervorgegangen sind. Wildbach tut dies in der ihm eigenen Manier, in jener Weise, die charakteristisch für ihn geworden ist: er kombiniert und konfrontiert abstrakte Farblandschaften mit realistischen Einsprengseln, gestische Farbschlieren mit detailreich ausgearbeiteten Figurendarstellungen.
„MARLOW“ ist der Protagonist in Conrads Erzählung. Er ist derjenige, der auf einem Flussdampfer den Kongo entlangfährt auf der Suche nach dem legendären und abtrünnigen Elfenbeinhändler Kurtz. Dieser hat durch die technische Überlegenheit westlicher Zivilisation die umliegenden indigenen Stämme unterworfen und sich als Halbgott inthronisiert. Marlow erfährt auf seiner Reise zu Kurtz, und damit in die Tiefe eines unbekannten Landes, eine dreifache Finsternis: die Finsternis des afrikanischen Dschungels, die Finsternis und Brutalität der europäischen Kolonisation und die abgrundtiefe Finsternis, die in jedem Menschen schlummert. Es ist dies die Fähigkeit um Macht und persönlicher Bereicherung willen unaussprechliche Grausamkeiten zu verüben, ungeahnte Brutalität gegen seine Mitmenschen zu entwickeln und diese gnadenlos zu unterdrücken. Marlow, der sich durch seinen gesunden Menschenverstand von Kurtz deutlich zu unterscheiden meint, empfindet in bestimmten Momenten jedoch durchaus eine Art von Bewunderung für Kurtz und dessen Machtposition.
Für Bruno Wildbach ist Marlow derjenige, der mit einem Auge nach der Krone schielt und mit dem anderen bereits das Unheil erkennt, das sich dunkel in seinem Auge spiegelt. Marlow ist das gespaltene Selbst zwischen Ehrgeiz und Besessenheit, Traum und Wahn, Selbstermächtigung und Unterdrückung, dessen innere Widersprüche sich in zwei verschiedenen Gesichtshälften spiegeln.
Marlow ist in einer freieren Deutung derjenige, der im Geheimen einem Traum anhängt, der exotisch anmutet und mit einem Auge aber bereits erkennt, dass die Realisierung seines Traums einen Gaukler, einen Verrückten aus ihm machen würde.
Marlow ist aber auch der, der mit einem Auge schwelgend in die Vergangenheit blickt und mit dem anderen starr und fassungslos nach vorne blickt. Es sind die Erlebnisse und Erfahrungen, die ihn nicht mehr loslassen, die auch Joseph Conrad nicht mehr losgelassen haben und die sich in den letzten Worten von Kurtz manifestieren: „The horror, the horror.“1
Es sind Momente und Erfahrungen des Unbestimmten, Unaussprechlichen, Widersprüchlichen und Verborgenen, denen Wildbach mit der Figur des Marlow Ausdruck verleiht. Dabei hält er sich grob an die vorgegebene Beschreibung, wandelt das Bildnis jedoch in ein Gleichnis. „He had sunken cheeks, a yellow complexion, a straight back, an ascetic aspect, and, with his arms dropped, the palms of hands outwards, resembled an idol.“2
Das altgriechische eidolon, von dem sich das englische und deutsche Wort „Idol“ ableitet, bedeutet in seinem Ursprung jenes Schatten- und Trugbild, das in der Erzählung Conrads exploriert und im Bild Wildbachs augenscheinlich verdeutlicht wird.
Bruno Wildbachs Gemälde enthalten im Wesentlichen keine missionarischen Botschaften oder großen Erzählungen, sondern eine Vielzahl an kleinen, subjektiven Narrationen, die sich aus dem Wechselspiel von abstrakten Formen und figürlichen Darstellungen, von gestischen Chiffren und realistischen Versatzstücken ergeben. Aus den informellen Strukturen heraus entwickelt Wildbach landschaftliche Versatzstücke oder er setzt Figuren zwischen die Farbspuren, Elemente, die dem Betrachter einen Raum öffnen und die dunklen Schemen, hellen Schlieren und farbigen Schleier in ein subjektives Assoziationsgefüge einbetten. Die Rückenfigur und ein ihr nachtrottender Hund im Bild „WET“ wandeln ein abstraktes Bild in eine Hafenszenerie, in der ein junger Mann am regennassen Kai an einem großen dunklen Schiff vorbeiflaniert. Doch löst sich mit der Einbettung von Identifikationsfiguren die gegenstandslose Abstraktion nicht in logisch lesbare Genreszenen auf. Es sind zwei unterschiedliche Realitäten, die ungebrochen aufeinander prallen: eine faktische und eine illusionistische. Die expressiven Pinselstriche und Rakelspuren bleiben malerische Ausdrucksgesten und die detailliert gemalten Figuren bleiben realistische Versatzstücke. Es sind zwei unterschiedliche malerische Realitäten, die als solche thematisiert werden, sich aber durch die Kombination nicht in einer Verschmelzung gegenseitig aufheben, sondern als Synthese einen neuen malerischen Raum erschaffen.
In „JUNE“ wird durch die Darstellung von zwei Figuren in unserer Wahrnehmung ein landschaftsähnlicher Farbraum generiert, der unbetretbar bzw. unerreichbar bleibt und nur mit Auge, Verstand und Gefühl zu durchqueren ist. Es sind zwei Menschen, die in abstraktes Farb- und Formengewirr gestellt wurden und nicht nur die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Bildgeschehen lenken, sondern vor allem als Stellvertreterfiguren für uns die Szenerie beobachten. Diese „Beobachtung zweiter Ordnung“ findet sich oft in den Bildern Wildbachs. Die Figuren sind dabei Träger menschlicher Gemütszustände wie Einsamkeit, Liebe, Verzweiflung, Hoffnung, die in den abstrakten Formen und Gesten eine symbolische Entsprechung finden.
In einem von vielen verschiedenen Grünschleiern überlagerten und mit gestischen Spuren durchzogenen Gemälde schält sich am rechten unteren Bildgeviert die Figur eines jungen Mannes heraus, der sich in Farbtupfen zu waschen scheint. Auf den zweiten Blick wird dahinter eine weitere Figur erkennbar, die ganz offensichtlich in den Farbwogen zu baden scheint. Den pastosen Rakelspuren in ihrer schillernden Farbigkeit hat Wildbach die Emanation eines einfachen jungen Mannes in stobendem Farblicht gegenübergestellt und dem Bild mit widerstreitenden Dynamiken eine vibrierende Spannung verliehen.
„BOOM“ ist kein Werk, das im Sinne der Bilderzählung auf symbolischer Ebene die Reinigung des Menschen durch die Kunst thematisieren würde. „BOOM“ erzählt auch nicht von der wirtschaftlichen Konjunktur Indiens, sofern man geneigt ist, die beiden jungen Männer im kollektiven Bildgedächtnis mit Aufnahmen von im Ganges Badenden abzugleichen. „BOOM“ ist das „Brausen“ der Farbspritzer und -wogen. „BOOM“ ist Malerei um der Malerei willen. „BOOM“ ist vielleicht die Bild gewordene Hoffnung auf Reinigung, dargestellt in einem Wirbel aus Wasser, Licht, Wind und Farbe.
Das Wasser ist ein durchgängiges Element in der neuen Werkserie von Bruno Wildbach. Ob der Weiher in „RAFT“, der Wasserfall in „SAMBESI“, das Meer in „MONDAY“, der See in „BLESS“, die tobenden Wellen in „ASARI“ oder die Küste in „KONGO“, das Wasser ist die verbindende Klammer und zugleich das rückbindende Element an die Erzählung Joseph Conrads von der Reise in das Herz der Finsternis. „KONGO“ war der Fluss, auf dem Marlow immer tiefer in das Dickicht der menschlichen Natur vordrang und mit „SAMBESI“ zitiert Wildbach einen weiteren großen Strom Afrikas, jenem Kontinent, der als Ursprung der menschlichen Spezies und damit wohl auch der conditio humana gilt.
In „CODE SH“ hat Wildbach einen Forscher in den Urwald versetzt und sein medizinisches Labor unter eine mit Geäst bedeckte Urhütte verfrachtet. In der Einsamkeit der Wildnis sucht der Wissenschaftler nach einem rätselhaften Code SH, unbeeindruckt von den Farbschlieren, die über seinem Unterstand dräuen. Ungewöhnlich im Vergleich zum übrigen Oeuvre, scheint Wildbach in diesem Bild den umgekehrten Weg der Bildgenese gegangen zu sein, indem er nicht einer informellen Malerei gegenständliche Elemente einschreibt, sondern eine realistische Umgebung durch geometrische Abstraktionen aufbricht. Wiederum entsteht durch die Wechselwirkung von abstrakten und gegenstandslosen Formen eine assoziative Narration, erinnern die Farbstreifen doch frappant an Testergebnisse eines medizinischen Versuchs. Der Figur des rationalen, nach wissenschaftlichen Methoden und Regeln arbeitenden Mediziners setzt er nicht ungestüme Gesten unterbewusster Regungen entgegen, sondern die kühle Ästhetik geometrischer Abstraktion. Zugleich dekonstruiert er mit den Farbkaskaden die naive Vorstellung eines einsam forschenden Dschungeldoktors und offenbart die Matrix hinter der Bildillusion.
Mittels realistischer Darstellungsweise, Perspektive, Komposition und illusionistischer Farbwerte konstruiert Wildbach einen fiktiven Bildraum, den er im selben Augenblick durch gezielt gesetzte Störfaktoren wieder aufbricht. Mit seiner Verschränkung unterschiedlicher Realitätsebenen, der Thematisierung malerischer Repräsentationsstrategien und seinem Beharren auf einer Bilderzählung bei gleichzeitigen Festhalten an der informellen Abstraktion, führt Bruno Wildbach einen bildnerischen Diskurs über Malerei mit den Mitteln der Malerei und lotet dabei den Möglichkeitsraum des Mediums im 21. Jahrhundert aus. Die neuesten Malereien von Bruno Wildbach sind dabei von einer melancholischen Grundstimmung getragen, die Conrads existentielle Einsamkeit und die seiner fiktiven Protagonisten widerspiegelt: „We live, as we dream – alone ...“3
1 Joseph Conrad, Heart of Darkness. London 1994, S.100.
2 Ebda. S.6.
3 Ebda. S. 39.
Bruno Wildbach, geboren 1964, studierte Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität und Architektur an der Technischen Universität in Graz. Wildbach lebt und arbeitet seit 1992 als freischaffender Künstler in Schwanberg.
Ausstellungsort:
Himmelpfortgasse 22, 1010 Wien
Ausstellungsdauer:
24. Mai bis 15. Juni 2012
Kontakt
artepari
Galerie für zeitgenössische Kunst
Peter-Tunner-Gasse 60, 8020 Graz, Austria
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